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29th April 2025

Warum Forma Futura auch zukünftig nicht in die Rüstungsindustrie investieren wird

Was jahrzehntelang als höchst unwahrscheinlich galt, ist zur Realität geworden: Die Wiederaufrüstung Europas scheint unausweichlich. Die Diskussion, ob Investitionen in Rüstungsgüter unter diesen veränderten Vorzeichen als nachhaltig gelten sollen, ist eröffnet. Diese Überdehnung des Nachhaltigkeitsbegriffs erfüllt uns mit Besorgnis, weshalb wir unsere Haltung zu diesem Thema teilen möchten.

Die gross angelegte Invasion der Ukraine durch Russland im Februar 2022 und die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten im November 2024 haben das Sicherheitsparadigma Europas grundlegend erschüttert. In den vergangenen Jahrzehnten gab sich Europa dem falschen Gefühl der Sicherheit hin und genoss die Friedensdividende unter dem militärischen Schutzschirm der USA. Die Rückkehr des Krieges auf europäisches Territorium und der drohende Bruch der transatlantischen Partnerschaft mit den USA unter Trumps reaktionärer «America first»-Politik schaffen neue Realitäten. Unter dem Druck, angesichts der amerikanischen Abkehr und der russischen Aggression ihre Verteidigungsfähigkeit wiederherstellen zu müssen, bemühen sich die europäischen Nationen, ihre reduzierten Armeen wieder aufzurüsten. Um ihre Freiheiten zu schützen, müssen Demokratien auch wehrhaft sein – so der kürzlich wiederentdeckte Grundsatz.

Muss nachhaltig investieren neu definiert werden?

Gelten Investitionen in Rüstungsgüter angesichts des neuen Kontexts deshalb als nachhaltig? Diese Frage wird in jüngster Zeit im Rahmen der europäischen Aufrüstungsdebatte diskutiert. Im Jahr 2024 erwog die EU-Kommission zum Beispiel, Rüstungsfirmen als nachhaltig zu klassifizieren, um der Finanzierung von Rüstungsunternehmen durch Privatmärkte Vorschub zu leisten. Anfangs April meldete eine Schweizer Grossbank, dass ihre Nachhaltigkeitsfonds neu in Rüstungsaktien investieren können[1]. Zur gleichen Zeit gaben der deutsche Allianz-Konzern und sein Vermögensverwalter AGI bekannt, Rüstungsaktien und sogar Atomwaffen als «nachhaltig» zu bezeichnen[2]. Das Argument dahinter: Die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften bedinge eine glaubwürdige, militärische Verteidigung.

«Konfliktspiralen, Intransparenz und mangelhafte Sorgfaltspflichten: Investitionen in die Rüstungsindustrie sind nicht nachhaltig.»

Militarisierung, Konfliktspiralen und Ökonomie

Das Wichtigste vorab: Seit der Gründung investiert die Forma Futura als nachhaltige Vermögensverwalterin nicht in die Waffen- und Rüstungsgüterindustrie und wird das auch in Zukunft nicht tun. Wir sind der Meinung, dass jegliche Militarisierung zu weiteren Konflikten und Gewalt führt und Kriege somit perpetuiert werden. Diese Spirale wird allein schon durch die verinnerlichte Wachstumslogik der Rüstungsindustrie vorangetrieben. Rüstungsunternehmen sind börsenkotierte, profitorientierte Unternehmen, deren wirtschaftliches Überleben vom Fortbestand von Konflikten abhängig ist. Ausserdem: Kriege, insbesondere nukleare Eskalationen, sind auch volkswirtschaftliche Katastrophen und bergen somit nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Finanzmärkte enorme systemische Risiken. Das vermeintliche Entwicklungsversprechen, dass Kriege beziehungsweise Investitionen in Aufrüstungsprogramme als Massnahmen zur Konjunkturförderung zu verstehen sind, wurde schon vielfach widerlegt[3].

Intransparenz und mangelhafte Sorgfaltspflichten

Eine weitere Problematik steckt in der Intransparenz der Rüstungsindustrie sowie den mangelhaften Massnahmen in Bezug auf Sorgfaltspflichten. Laut UNO ist der Rüstungssektor wie fast kein anderer Sektor von Korruption und einer mangelhaften Due Diligence betroffen[4]. Rüstungsindustrie und Waffenexportpolitik sind eng verwoben mit dem sicherheitspolitischen Gefüge eines Landes und unterliegen – wie auch die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht – staatlicher Kontrolle. Diese symbiotische Beziehung und Grenzverwischung zwischen politischen Entscheidungsträgern und dem Rüstungssektor führt jedoch dazu, dass Staaten diesen Sorgfaltspflichten oft nicht oder nur ungenügend nachkommen. Für Waffenhersteller selbst bestehen laut UNO zudem keine Anforderungen an menschenrechtliche Sorgfaltspflichten. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass Waffenexporte in autokratisch regierte Länder und Regionen, die von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind, nicht ausgeschlossen werden können. Exporte von europäischen Rüstungsunternehmen nach Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Ägypten unterstreichen diese Problematik.

Empfänger: unbekannt

Eine weitere Folge der Intransparenz des Sektors ist auch die Schwierigkeit, die Kontrolle über die endgültigen Empfänger von Rüstungsgütern zu behalten. Waffen zirkulieren auch nach Beendigung von Konflikten weiter. Besonders kleine und leichte Rüstungsgüter laufen schneller Gefahr, in die Hände von kriminellen Organisationen, Drogenkartellen oder terroristischen Gruppierungen zu geraten. Rüstungsunternehmen wird dabei vorgeworfen, zu wenig gegen diese illegalen Waffenströme zu unternehmen. Ein Teil der Problematik liegt darin, dass Rüstungsunternehmen Fertigungsanlagen im Ausland besitzen (z. B. europäische Waffenhersteller in den USA) und Waffenströme somit europäische Kontrollsysteme umgehen können. Durch die Beteiligung an Rüstungsfinanzierung steigt somit das Risiko, dass man sich indirekt an Kriegen, Konflikten und organisierter Gewalt beteiligt, die fernab von jeglicher Legitimität liegen.

Politische Notwendigkeit ist nicht gleich nachhaltig

Europa stehen angesichts der veränderten Sicherheitslage grosse Herausforderungen bevor. Eine dieser Herausforderungen wird es sein, wichtige Entscheidungen hinsichtlich Verteidigung und Aufrüstung zu treffen. Doch was politisch notwendig erscheint, muss nicht zwingend nachhaltig sein. Die Bedeutung des ohnehin schon strapazierten Nachhaltigkeitsbegriff aus aktuellem Anlass weiter zu überdehnen, erscheint uns als nicht legitim und gefährlich. Nachhaltiges Investieren soll ökologische Transformation, sozialverantwortliche Praktiken und ethisches Handeln in den Mittelpunkt rücken. Militärische Aufrüstung, auch wenn politisch notwendig, gehört nicht dazu.

[1] Nachhaltigkeitsfonds der UBS können neu in Kriegsaktien investieren - Tippinpoint
[2] Allianz nimmt Rüstungsaktien in nachhaltige Fonds auf | BR24
[3] Die Ökonomie des Krieges: was uns die letzten 200 Jahre lehren
[4] BHR-Arms-sector-info-note.pdf